Zu Gast bei einem Einhorn
Jessica Kaufmann, 33, ist Senior Data Scientist beim Münchner Unternehmen Celonis, einem der wenigen deutschen Unicorns – so werden Start-ups genannt, die auf ihrem Weg bereits eine Milliarden-Bewertung (US-Dollar) erhalten haben. Der Spezialist für Process Mining und Datenvisualisierung ist heute ein globaler Software-Anbieter, Jessica hat den Aufstieg der Firma mit begleitet. ‚Frauen und Technik‘ erzählt sie, wie sie in die IT gekommen ist, wie ihr Job aussieht und was sie vom Girls‘ Day hält.
Data Scientist ist derzeit ein echter Hype Begriff. Was machst Du genau?
Im großen und ganzen geht es erstmal um die Analyse von Daten und Prozessen – das ist bei Celonis genauso wie in der Klinik, in der ich zuvor gearbeitet habe. In der Delivery führe ich unsere Software bei den Kunden ein. Das heißt, ich mache die vorhandenen Daten erstmal überhaupt lesbar für eine Visualisierung, kümmere mich um die Datenanbindung, die Extraktion und die Datenaufbereitung. Danach geht es dann darum, mit den Kunden die KPIs zu definieren und die Lösung so zu optimieren, so dass möglichst viel Wert daraus geschaffen werden kann.
Du bist jetzt mehr als drei Jahre bei Celonis. Wie hat sich Dein Job in dieser Zeit verändert?
Die Arbeit selbst hat sich eigentlich gar nicht verändert. Die Leute hier sind immer noch so motiviert und engagiert, das gefällt mir. Aber natürlich hat sich das Unternehmen verändert – früher kannte ich hier noch jede*n mit Namen, das ist vorbei.
Du hast in der Krebsforschung gearbeitet und bist dann zu einem Start-up gewechselt – warum?
In der Forschung dauert es wahnsinnig lange, bis konkrete Ergebnisse zu sehen sind. Das ist beim Start-up ganz anders. Ich wollte direkt den Einfluss meiner Arbeit sehen und die Möglichkeit haben, etwas mit zu gestalten. Deshalb wollte ich auch nicht zu einem großen Konzern, sondern in ein kleineres, dynamisches Unternehmen.
Du bleibst aber nicht in diesem Bereich, sondern gehst in die Entwicklung – warum?
Mich zieht es einfach wieder in die pure Informatik. Das ist aber kein Rückschritt, sondern für mich der nächste logische Schritt – denn ich kann meine Erfahrungen aus den Kundenprojekten direkt mit in die Entwicklung einbringen.
Wie bist Du denn überhaupt Data Scientist geworden?
Mich hat Informatik schon immer fasziniert. Ich liebe dieses Gefühl, an einer Programmierung zu arbeiten und zu merken: Es funktioniert. Alles ist messbar und es macht mir einfach wahnsinnig viel Spaß, mich tief in so was hinein zu denken. Und mit Computern kann man ja alles machen.
Wahrscheinlich ist mein Papa ‚schuld’, bei ihm habe ich schon auf dem Schoß gesessen, als er seine Diplom-Arbeit als Elektro-Ingenieur geschrieben hat – ich bin also von Kindheit an mit der Technik in Berührung gewesen, mein Vater war eigentlich auch mein bester Mentor.
Wie war das in der Schule?
Klassisch, würde ich sagen – im Informatik-Kurs war ich das einzige Mädchen. Für mich war es einfach ganz natürlich, mich damit zu beschäftigen, auch wenn das zum Beispiel für meine Freundinnnen überhaupt keine Alternative war. Aber davon habe ich mich nicht abbringen lassen, mein eigener Antrieb war zum Glück stark genug.
Wie gibst Du Dein Wissen weiter?
Wir haben hier bei Celonis mal einen Coding Pub organisiert, um zu zeigen, was Data Scientists so machen. Wenn ich wieder mehr Zeit habe, kann ich mir vorstellen, das oder etwas Ähnliches erneut anzubieten.
Wie wichtig findest Du Initiativen wie den Girls’ Day – von dem ja viele inzwischen sagen, dass er nichts bewirkt hätte in all den Jahren?
Klar wird ein einziger Tag nichts daran ändern, wenn ich eigentlich fest davon überzeugt bin, später etwas mit Fremdsprachen machen zu wollen. Aber es ist wichtig, immer wieder den Fokus auf technische Berufe und das Thema zu richten, um auf die vielfältigen Möglichkeiten aufmerksam zu machen.