„Digitale Bildung lässt mich nicht mehr los“
Mit Katja Bröckl-Bergner verbindet mich die Leidenschaft für das Thema digitale Bildung. Doch während ich vor allem darüber schreibe, geht Katja an die Schulen und sogar in Seniorenheime, um das Thema vor Ort voranzubringen.
Katja, wie sieht Dein Business aus?
Ich bin als freiberufliche Digitale Bildungs- und Social Media Beraterin unterwegs.
2012 habe ich mich mit w@hrnehmung | katja bröckl-bergner und meinem kleinen grünen Leuchtturm als Logo selbstständig gemacht. Anfänglich beriet ich Unternehmen und Privatpersonen in der effektiven Nutzung von Social Media. Das Internet und digitale Medien gehören zu meinem alltäglichen Handwerkszeug. Ohne WLAN und Internet verhungere ich in meinem Homeoffice. Irgendwann wurde mir bewusst, so wie ich arbeite, arbeiten nicht alle, bzw. können es nicht. Gerade meine drei Kinder bekommen in der Schule nicht viel von diesen „neuen“ Arbeitsweisen vermittelt.
Wir, die in der digitalen Welt arbeiten und leben, leben bereits das sogenannte 4K Modell oder auch die 21st Century Skills genannt! Doch wie können wir unsere jungen Menschen auf die zukünftige Arbeitswelt vorbereiten? Wir müssen die zukünftigen Generationen dazu zu befähigen, unbekannte Hürden in einem sich ständig wandelndem Feld zu meistern. Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken sind hierfür der Schlüssel.
Dieses Wissen und meine Erfahrungen möchte ich mit meinen digitalen Projekten in die Schulen bringen.
Du brennst für das Thema digitale Bildung. Woher kommt Dein Antrieb – gab es ein Schlüsselerlebnis?
Mein Schlüsselerlebnis war ein Vorfall in der Schule meiner Tochter. Eine Mitschülerin postete irgendetwas Unschönes über eine Mitschülerin auf ihrer Facebook Seite. An die genauen Einzelheiten kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Das Posting machte die Runde und landete auch beim Direktor.
Nun fing das Drama an. Die Schülerin wurde in das Büro des Direktors zitiert, musste dort ihren Facebook Account am Rechner aufrufen und den Post vor den Augen des Direktors löschen. Zudem bekam sie einen scharfen Verweis. Ich habe mich dann gefragt: „Was hat das Mädchen nun gelernt?“ Der Direktor hat die Macht! Aber, wie funktioniert Social Media? Was ist Cybermobbing? Welche Folgen hat Cybermobbing? Nicht, gar nichts hat sie gelernt.
Das konnte einfach nicht sein! Immer wieder kreuzte das Thema Netiquette auch meinen Arbeitsbereich als Social Media Managerin. Ok, das ist die gleiche Richtung. Mein Interesse war geweckt und ich begann mich in das Thema Cybermobbing einzulesen und mit meiner Tochter als Sparringspartner zu testen. Der nächste Schritt konnte folgen, ein Telefonat mit dem Rektor. Ich unterbreitete ihm ein Angebot für einen Cybermobbing Workshop. Der Zeitpunkt passte, dann stand ein Schulprojekttag an. Einen ganzen Tag arbeitete ich mit sieben siebten Klassen an dem Thema Cybermobbing. Wenig Zeit für ein so großes Thema. Seitdem lässt mich digitale Bildung nicht mehr los.
Wo hakt es beim Thema digitale Bildung (in Bezug auf Schulen) Deiner Meinung nach derzeit am meisten?
Zunächst sehe ich immer wieder, dass die Notwendigkeit der Digitalisierung in der Schulwelt wirklich noch nicht gesehen wird. Es überwiegt die Skepsis vor digitaler Technik und das Fehlen von digitalen Konzepten. Handyverbot, fehlende Geräte (Tablet oder Laptop), IT-Raum und fehlendes WLAN sind nur ein paar Hürden, die ich überspringen muss, um ein digitales Projekt an einer Schule durchzuführen.
Ein großes Problem ist, dass von Schulen enorm viel gefordert wird – digitale Ausstattung, digitales Konzepte und Weiterbildungen für Lehrer mit Schwerpunkt Digitalisierung. Viele Schulen sind damit überfordert. Um die Digitalisierung umzusetzen, braucht es viele, die an einem Strang ziehen: Direktoren, Lehrerkollegien, Schulaufwandsträger, die Politik. Das sind ziemlich viele, die unter den digitalen Hut passen müssen. Zudem ist die Ausbildung der Lehrer ebenfalls noch nicht auf der Höhe der digitalen Zeit. Ach ja, mehr Geld für die Bildung würde die Sache ebenfalls sehr vereinfachen. Und da Bildung Ländersache ist, erfindet jeder die Digitalisierung neu, anstatt gemeinsam ans Ziel zu kommen.
Du warst kürzlich auf dem EduCamp Hattingen – was hast Du dort mitgenommen?
Christiane und ich nahmen an diesem Camp teil, da sich hier die „digitale Lehrerszene“ aus Deutschland trifft. Ja und so ist es auf vielen Edu-Veranstaltungen. Hier treffen sich sehr engagierte Lehrer, die erfolgreich digitale Konzepte und Geräte in ihrem Unterricht einsetzen. Man könnte es vergleichen mit: Diese Lehrer überholen mit ihren zukunftsweisenden Teslas ihre anderen Kollegen auf der Digitalautobahn mit Höchsttempo. Es ist Zeit, dass die anderen Lehrer sich dranhängen, sonst wird das Gap zu groß. Doch wie kommt dieses enorme Wissen in alle Ecken unserer Bildungslandschaft? Für Peer to Peer Weiterbildungen fehlen die Lehrer, im Pädagogikstudium gibt es enormen Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung, bei Pflichtfortbildungen hapert es an der Motivation, und eine einheitliche Bildungsplattform wird durch das föderale System kaum zu machen sein.
Bei der digitalen Bildung geht es ja nicht nur um Kinder, sondern auch um lebenslanges Lernen und Erwachsenenbildung oder Schulungen für Senioren. Welche Erfahrungen hast Du hier gemacht, magst Du ein paar Situationen und Erfolge schildern?
Wer in Sachen digitale Bildung nicht am Ball bleibt, rückt unausweichlich an den Rand der Gesellschaft. Auch ältere Menschen müssen bei der kompetenten Nutzung der neuen Medien unterstützt werden, damit sie nicht aus dem gesellschaftlichen Partizipationsprozessen ausgeschlossen werden. Vermehrt laufen diese Prozesse digital ab. (Online-Banking, Online-Shopping, Online-Beratung, Online-Kommunikation) Lebenslanges Lernen hat eine Reihe von positiven Effekten, wie z.B. Senkung des Demenz- und auch des Mortalitätsrisikos, soziale Integration und damit einhergehend ein verbessertes Altersbild in der Gesellschaft. Im Rahmen einer SeniorInnen & Digitale Bildung Weiterbildung in Österreich wurde mir klar, hier besteht Handlungsbedarf. Learning4Integration – Das Internet kennt keine (Alters-) Grenze war mein erstes Senioren Projekt. Es war ein intergeneratives Projekt, mit jugendlichen Flüchtlingen einer Übergangsklasse und Senior*innen eines Seniorenheims startete ich einen Internet-Schnupperkurs. Für die Senioren*innen war dieser Besuch in der Schule eine Reise in die Vergangenheit, die ihnen sehr viel Spaß gemacht hat. Ok, ich habe die Senioren (80 – 93 Jahre) nicht zu Heavy Usern gemacht, aber wir konnten ihnen die rätselhafte Internetwelt ganz persönlich zeigen.
In meinen Senioren-Kursen sitze ich meistens sehr interessierten und wissbegierigen Menschen gegenüber. Sie sind motiviert und sehr dankbar, dass ich die Geduld aufbringe, ihnen die digitale Welt zu erklären.
Einblicke in den Unterricht:
- Wie ist das mit dem WLAN? Mein, dein unser WLAN? Wie komme ich in das Hotel-WLAN?
- Fotografieren mit dem Smartphone – wie kann man scharfe Bilder machen?
- Wie macht man Selfies?
- Was ist eine Cloud?
- Wie funktioniert Google?
- Wie, mein Smartphone hört aufs Wort? Wie funktioniert Siri?
Auf dem Ada Lovelace Festival in Berlin hatte ich die Gelegenheit, mit dem Calliope Mini zu programmieren. Es war wirklich kinderleicht! Was hältst Du von solchen Initiativen, mit denen Kinder in der Schule ans Programmieren herangeführt werden sollen?
Grundsätzlich bin ich für jede Initiative, die die digitale Bildung vorantreibt. Doch was ich über das Calliope Projekt gehört habe, stimmt mich etwas nachdenklich. Das Start-up startet eine Crowd Funding Aktion, um die digitale Bildung in Deutschland vorwärts zu bringen. Klaro, dass ich da mitgemacht habe. Auch wenn ich jetzt Programmieren nicht ganz an erster Stelle der digitalen Bildung in Schulen sehe. Es ist ein Teil des ganzen digitalen Kuchens. Als ich meinen Calliope endlich in der Hand hatte, war die Freude groß. Erste Programmierungsversuche mit der Tochter wurden gestartet.
Nun erfuhr ich durch einen Podcast, dass Google von Anfang an ein Partner dieser Initiative ist. Hmm, nun frage ich mich, wozu diese riesige Funding Aktion? Warum wurde nicht mit offenen Karten gespielt? Warum spielt auch die Bundesregierung bei diesem Spiel mit? Es hinterlässt einen fahlen Beigeschmack- Ist Programmierung wirklich die Basis? Ich bezweifle es, die meisten Schulen sind mit den Basics der Digitalisierung beschäftigt. Im zweiten Schritt, sehe ich das Coden. Aber auch hier bitte mit Spaß, nicht als Pflichtveranstaltung mit Noten! Das sind extreme Motivations- und Kreativitätskiller.
Wenn Du Dir für das Thema digitale Bildung drei Dinge wünschen könntest, welche wären das?
Liebe Bildungsfee, bitte schaffe Bildung als Länderssache ab, gib der Bildung wieder den Stellenwert den sie verdient, d.h. erhöhe die Bildungsbudgets drastisch. Und mein letzter Wunsch, bitte lass uns dem Thema digitale Bildung mit Spaß und Forscherdrang begegnen und anstatt mit Druck durch Noten.
Fotos: Beate Mader, Katja Bröckl-Bergner