‚Wir brauchen Heldinnen‘

Veröffentlicht von am 18 Okt 2019

 

Jutta Eckstein ist für das Programm der OOP-Konferenz verantwortlich, eine der größten Veranstaltungen für Software-Entwickler*innen. Die Buchautorin und Expertin rund um Agilität hat Frauen und Technik verraten, warum sie sich eine neue Hollywood-Heldin wünscht und wo sie die Trends fürs kommende Jahr sieht.

 

OOP 2019

Was fasziniert Sie an den Themen Software und Software-Entwicklung?

Schon Ende der 1980er Jahre, als ich Product Engineering mit dem Schwerpunkt Software Entwicklung studierte, war ich von den kreativen Möglichkeiten, die Software bietet, fasziniert. Daran hat sich nichts geändert. Hinzu kommt, dass mich die Herausforderung gereizt hat. IT ist ein „Teamsport“ und die kreative, zielorientierte Arbeit im Team gefällt mir sehr. Leider herrscht landläufig ein völlig anderes Bild unseres Berufs vor. Tatsache aber ist, dass IT schon immer eine sehr teamorientierte Disziplin war und immer noch ist. IT-Probleme kann man heute nicht mehr alleine vor dem Rechner lösen.

 

Das Motto der OOP 2020 lautet „Into the Unknown“. Was bedeutet das für Sie genau?

„Into the Unknown“ haben wir für den 03. – 07. Februar 2020 in München ausgewählt, weil es exakt die Situation wiederspiegelt, in der wir uns mit der Software Architektur gerade befinden: Alles verändert sich, selbst unsere Fundamente stehen heute zur Disposition. Es gibt neue Architekturen, neue Tools, neue Arbeitsumgebungen… Es geht um den Aufbruch ins Unbekannte und soll zudem diesen Sprung – auf dem wir uns gerade befinden – versinnbildlichen.

 

Welche neuen Trends sehen Sie denn im Bereich Software-Architektur?

Zum einen sehe ich ganz klar den Trend hin zur so genannten evolutionären Architektur. Das ist aber kein Trend für die Zukunft, denn wir stecken schon mitten drin, haben die Herausforderungen aber noch nicht gemeistert. Wir können es uns nicht mehr leisten, Systeme neu aufsetzen zu müssen, wenn neue Anforderungen hinzukommen. Stattdessen muss unsere Architektur quasi auf ewig veränderbar bleiben. In diesem Zusammenhang ist auch DevOps zu sehen. Die Architektur muss auch zu jedem Zeitpunkt so tragfähig sein, um DevOps-konform kontinuierlich liefern zu können.

Zum anderen bin ich überzeugt, dass das Thema UX immer wichtiger für uns werden wird. Heute kennen die meisten von uns – ich auch – vor allem Maus, Tastatur, Bildschirm. In der Zukunft werden wir über Schnittstellen wie Hologrammen, über AR, VR, Sprache und Bewegung interagieren. Das Spektrum wird viel breiter und nicht in der Nische verbleiben.

 

Welche Herausforderung ist aus Ihrer Sicht die größte angesichts dieser Entwicklungen?

In Zukunft ist alles mit allem vernetzt. Das macht Systeme nicht nur sehr komplex, sondern auch anfällig. Und da wären wir auch schon bei der Herausforderung: Das ist der Schutz der Systeme und nicht zuletzt der Daten. Cyber-Kriminalität wächst, und gleichzeitig werden immer sensiblere Bereiche unseres Lebens wie z.B. Wahlen durch IT unterstützt.

 

Welche Skills brauchen der Software-Architekt bzw. die Software-Architektin von morgen, um fit für die Zukunft zu sein?

Es geht hier weniger um eine bestimmte Fähigkeit, sondern eher um eine Haltung. Es ist die Bereitschaft, stets auch über den Tellerrand des Berufs, des „Daily Business“ schauen zu wollen. Das wird in Zukunft immer wichtiger werden, da IT in nahezu alle Lebensbereiche eindringt. Es gibt z.B. das berühmte – und immerhin schon über 50 Jahre alte – Conway’s Law, das besagt, dass unsere Software-Architekur immer der Spiegel unserer Organisationsstrukturen ist. Und auch diese verändern sich gerade fundamental.

 

Eines Ihrer Steckenpferde sind diese übergeordneten, gesellschaftlichen IT-Themen, wie IT & Ethik. Wie kommt das bei den „Techies“ eigentlich an?

Sehr gut. Auf der OOP z.B. haben wir vor vier Jahren damit begonnen, solche Meta-Themen wie Ethik & IT oder die gesellschaftliche Verantwortung von Entwicklern zu thematisieren. Ich muss zugeben, dass wir zunächst viel Skepsis geerntet haben, doch aus anfänglich einer Handvoll Vorträgen ist inzwischen ein ganzer Track geworden, der zwei Tage füllt und fest im Programm etabliert ist.

 

Sehr viele Keynotespeaker auf der OOP sind weiblich. Programmieren Frauen anders als Männer?

Nein, das glaube ich nicht. Es ist aber so, dass Teams, die aus Frauen und Männern bestehen, einfach bessere Ergebnisse erzielen. Und zwar aus dem Grund, weil die von ihnen entwickelten Anwendungen für eine breitere Gesellschaft funktionieren. Es geht also um Diversität, da sind unterschiedliche Altersstrukturen, Ethnologien, gesellschaftliche Hintergründe, etc. genauso angesprochen.

 

Sehen Sie einen Anstieg des Interesses beim weiblichen Publikum, auch bei der OOP?

Es gibt tatsächlich einen Anstieg, allerdings auch noch sehr viel Luft nach oben… Seit 2011 ist der Frauenanteil unter den Teilnehmerinnen der OOP um 3 Prozent gestiegen und lag 2019 dennoch nur bei 9 Prozent. Das ist immer noch sehr wenig. Im Bereich der Sprecherinnen, auf den wir ja Einfluss haben, sieht die Entwicklung besser aus. Für die OOP 2020 haben wir immerhin einen Frauenanteil von 23 Prozent erreichen können.

 

Wie könnten mehr Frauen und Mädchen für Coding begeistert werden?

Darüber habe ich schon oft mit Kolleginnen und Kollegen diskutiert. Natürlich sind Programme, die junge Mädchen an IT heranführen sinnvoll. Das machen wir aber auch schon seit Jahren und es verändert nicht viel. Inzwischen bin ich überzeugt, dass Hollywood uns am besten helfen könnte: Mit einem mitreißenden Blockbuster, in dem eine Frau über Technologie z.B. die Welt rettet. Wir brauchen ein Vorbild für die Mädchen, eine Heldin, mit der sie sich identifizieren möchten. So wie der Film Top Gun den Mythos „Luftwaffen-Pilot“ befeuert hat, bräuchten wir einen mitreißenden Film, der Frauen für die IT-Welt gewinnt.

 

Foto: OOP

 

Hinterlasse eine Antwort