„Ein Open Office sollte nicht angeordnet werden“

Veröffentlicht von am 15 Jan 2016

Daniela Störzinger ist Ingenieurin und Innenarchitektin. Mit ihrer Münchner Firma „About Human Office“ unterstützt sie Unternehmen dabei, neue Räume für neues Arbeiten zu schaffen. Darüber hinaus plant sie ein spannendes eigenes Projekt: ein Business-Center für Frauen.

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Nicht jeder ist froh über ein neues offenes Büro. Wenn im Großraum der eigene Schreibtisch plötzlich mit den Kollegen geteilt werden soll und es nur noch wenige Rückzugsmöglichkeiten gibt, bekommen es viele Angestellte mit der Angst zu tun. Die Ingenieurin und Innenarchitektin Daniela Störzinger bietet deshalb „Workplace Change Management“ an.

 

Frau Störzinger, die Büro-Architekturen verändern sich, es gibt immer mehr offene Konzepte. Woran liegt das?

 

Unternehmen arbeiten zunehmend agil und in gemischten Teams. Arbeit ist kommunikativer und mobiler geworden. Die Leute sind nicht mehr lokal an einen Standort gebunden, sondern sind häufig weltweit und rund um die Uhr im Einsatz. Hierarchien lösen sich auf. Agil arbeitende Mitarbeiter lassen sich nicht in Einzelbüros stecken, das funktioniert einfach nicht mehr. Heute werden moderne Räume gebraucht, in denen sich die Beschäftigten austauschen können und im Idealfall auch inspiriert werden.

 

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Hubert Burda Media

 

Das klingt prima und sieht in den meisten Fällen ja auch chic aus, aber was bedeutet das tatsächlich für die Beschäftigten?

 

Nach meiner Erfahrung steigt mit einer schönen Umgebung und der Bewegung der Leute auch der Freiraum im Denken. Wer freigeistig arbeiten kann, bringt ganz andere Dinge voran. Doch das ist ein langer Prozess. Zunächst einmal müssen wir sehen, dass Menschen ausgesprochen territorial geprägt sind und auf Veränderungen meist mit Ängsten reagieren. Das zeigt sich natürlich auch im Büro, wo die Leute noch immer sehr viel Lebenszeit verbringen.

 

Welche Ängste sind das?

 

Eigentlich geht es immer um die drei „L“ – Lärm, Luft und Licht. Der Geräuschpegel im Großraumbüro macht vielen Mitarbeitern zu schaffen, alle wünschen sich mehr Rückzugsmöglichkeiten, etwa um ungestört zu telefonieren und nicht ständig auf dem Präsentierteller zu sitzen. Den eigenen Schreibtisch herzugeben und sich am Desksharing zu beteiligen ist ein Riesenschritt, denn damit geht auch ein Stück Sicherheit und Identität verloren. Viele Mitarbeiter finden es auch schlicht eklig den Rechner zu benutzen, den Kollege A gestern noch hatte.

 

Wie begegnen Sie diesen Ängsten?

 

Mit unserem Unternehmen „About Human Office“ begleiten wir Firmen dabei, neue Bürokonzepte einzuführen. Dabei bieten wir kein Produkt von der Stange, sondern individuelles Workplace Change Management. Das heißt, wir gehen lange vor dem eigentlichen Umzug – möglichst mit einem Jahr Vorlauf – direkt in die betroffenen Teams. Wir erläutern das Konzept, sammeln Wünsche und Vorschläge auf, helfen aber auch den Führungskräften dabei, unbeliebte Botschaften zu vermitteln. Damit nehmen wir die Rolle von Beratern und Coaches ein, sowohl für die Leitung, also auch für die Beschäftigten. Letztlich geht es darum, kreative Lösungen zu finden, damit die Leute vernünftig arbeiten können. Außerdem wollen wir auch die Vorteile zeigen – beispielsweise ist es in Zeiten der Informationsüberflutung durchaus sinnvoll, abends den Schreibtisch aufgeräumt zu hinterlassen und so mit dem Arbeitstag abzuschließen.

 

Change Management ist ja vor allem ein Human Resources-Thema?

 

Genau. Hier hat sich inzwischen auch eine Menge getan. Vor fünf Jahren war an Workplace Change Management kaum zu denken, die Verantwortlichen waren überhaupt nicht offen dafür. Das hat sich gravierend geändert, denn alle haben gemerkt, dass ein Open Office nicht einfach über die Köpfe der Leute hinweg angeordnet werden kann. Ohne Begleitung auf HR-Seite geht es nicht.

 

Architektur allein reicht also nicht für neue Bürokonzepte?

 

So sehen wir das jedenfalls. Denn es geht nicht nur um das richtige Gebäude und die passende Inneneinrichtung, sondern auch darum, dass die Menschen befähigt werden, mit neuen Technologien effizient arbeiten zu können. Wir haben es in unserer Arbeit immer mit heterogenen Organisationen zu tun, keine Abteilung ist gleich, deshalb sollte auch kein Büro wie das andere aussehen.

Auch die jeweilige Unternehmenskultur muss immer mit berücksichtigt werden – als Beispiel: Gibt es Kollegen, die gerne mittags im Office kochen? Wie reagieren die Mitarbeiter dann bei ungewöhnlichen Gerüchen, wer ist für die Reinigung der Küche verantwortlich? Oder: Soll es einen Kicker geben, der auch während der Arbeitszeit genutzt werden darf? Wenn man von seinen Leuten verlangt, quasi rund um die Uhr erreichbar zu sein oder eigenverantwortlich zu arbeiten, dürfte das eigentlich selbstverständlich sein. Trotzdem sollte es möglichst im Vorfeld geklärt werden.

 

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Glaxo Smith Kline

 

Sie haben langjährige Erfahrungen als Führungskraft in der IT-Branche. Ist die Technologie-Branche Vorreiter bei diesen neuen Konzepten?

 

Ja, das können wir in unserem Kundenkreis beobachten. Aber nach und nach springen auch andere Branchen auf den Zug auf, da sich die agilen Arbeitsweisen immer mehr durchsetzen. Wir merken aber auch, dass viele Unternehmen noch zu sehr auf die Präsenzkultur setzen und zu wenig ergebnisorientiert denken.

 

Sie planen außerdem ein großes eigenes Projekt und wollen ein Female Business Center in München gründen. Warum sehen Sie hier Bedarf?

 

Ich beschäftige mich schon lange mit Coworking Spaces. Ich habe in den 1980er Jahren Teams mit bis zu zwölf Ingenieuren geleitet. Daher weiß ich, wie aufreibend es für Frauen sein kann, sich in Männerdomänen zu behaupten. Mit dem Business Center, das ich gemeinsam mit Heike Bedrich von Talisman PR entwickele, wollen wir einen kreativen Freiraum bieten, in dem Frauen sich ganz auf ihren Wiedereinstieg oder ihr Start-up konzentrieren können. Damit das gelingt, soll es neben großzügigen und flexiblen Arbeitsräumen für verschiedene Work-Styles auch Platz für berufsbegleitende Dienstleistungen wie etwa Coaching oder Finanzplanung geben. Dazu kommen Kooperationen mit Anbietern, die das Privatleben erleichtern. Auch für Entspannung und Balance ist genügend Raum geplant. Wir wollen damit einen Treffpunkt und eine neue Form von Coworking Space für Business-Frauen und Macherinnen schaffen.

 

Welche Architektur-Trends sehen Sie in naher Zukunft?

 

Job und Wohnen werden sich noch weiter miteinander vermischen, Home Offices und mobiles Arbeiten bekommen künftig eine größere Bedeutung – das wird auch die Architektur beeinflussen.

 

Alle Bilder: About Human Office

 

 

 

 

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