„Die Karriere planen wie die Hochzeit“

Veröffentlicht von am 18 Mai 2015

Die US-Managerin Judith Bitterli ist wie Sheryl Sandberg davon überzeugt, dass die Wahl des Partners auch über die eigene Karriere entscheidet. Die Marketing-Chefin des Software-Unternehmens AVG Technologies appelliert vor allem an junge Frauen, den Berufsweg ebenso akribisch zu planen wie die eigene Hochzeit.

 

Judith_Bitterli_optFoto: AVG

 

Judith, vor einem Jahr sind Sie innerhalb von AVG Technologies ins Büro des Unternehmens nach San Francisco umgezogen. Wie sind Ihre Eindrücke?

 

Bitterli: Ehrlich gesagt war ich schockiert. Ich darf hier im Zentrum der Innovationen arbeiten, habe die Nähe zum Silicon Valley, das genieße ich sehr. Aber ich bin seit rund 30 Jahren für Tech-Firmen tätig und habe selbst verschiedene kleine Unternehmen gegründet. Noch heute habe ich in Meetings auf Entscheider-Ebene das Gefühl, ich sitze dort als einzige Frau. Das macht mich richtig wütend.

 

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

 

Bitterli: Talentierten Frauen fällt es oft schwer, sich in Meetings oder Verkaufsgesprächen gut darzustellen oder sich gegen männliche Mitstreiter durchzusetzen. Häufig fehlt es vor allem jüngeren Frauen an Selbstvertrauen. Fachlich sind sie top, aber sie haben Angst, als „Bitch“ zu gelten oder zu „pushy“ zu wirken.

 

Wie kann dieses Selbstvertrauen gestärkt werden?

 

Bitterli: Das fängt bereits bei der Erziehung im Elternhaus an und geht über die Schule bis hinein in die Unternehmen. Schon die Eltern sollten die Kinder auf einem selbstbestimmten Lebensweg stärken und sich dafür interessieren, ob der Job der Tochter auch faire Arbeitsbedingungen bietet. Am wichtigsten sind jedoch Mentoren, die Talente fördern und begleiten.

 

judith-618x336Foto: AVG

 

Auf der SXSW Interactive in Austin/Texas haben Sie den Vortrag „Boardroom or Baby“ gehalten und darüber hinaus Frauen Tipps gegeben, um in der Tech-Branche erfolgreicher zu sein. Verraten Sie uns einige davon?

 

Bitterli: Ja sehr gern! Ich sehe hier vor allem fünf Punkte:

 

  1. Viele Frauen kümmern sich um alles und jeden – nur nicht um sich selbst. Gerade nach der Uni sollten sie sich in Ruhe hinsetzen und einen detaillierten Plan für ihre Karriere aufstellen – genauso akribisch wie für ihre eigene Hochzeit.
  1. Im Verlauf des Berufslebens und in der Elternzeit sollte immer wieder definiert werden, wie man selbst gesehen werden will – die Frage muss lauten: Wofür stehe ich selbst als Marke? Wie kann ich das erreichen? Gerade in der Elternzeit und nach dem Wiedereinstieg ist es wichtig, nicht aus dem Blickwinkel der Vorgesetzten zu geraten. Bleiben Sie sichtbar, demonstrieren Sie, dass Sie relevant sind für das Unternehmen.
  1. Frauen sollten bei der Partnerwahl auch an ihre Karriere denken. Das klingt vielleicht merkwürdig. Aber wenn der Partner eine Frau speziell bei der Kinderfrage und in der alltäglichen Routine nicht unterstützt, dann wird sie zwangsläufig zurückstecken. Sie wird dann nicht so gut voran kommen, wie mit einem Partner im Rücken, der ihre Arbeit als gleichberechtigt ansieht.
  2. Weibliche Talente sollten sich ein gezieltes Mentoring in ihrem beruflichen Umfeld suchen und auch annehmen – dabei ist es ganz egal, ob ein Mann oder eine Frau dieses Mentoring übernimmt. Wahrscheinlich wird es auch nicht nur den einen Mentor geben, sondern je nach Entwicklungsstufe eine andere Bezugsperson. Ganz ohne wird es schwierig werden mit dem Aufstieg.
  1. In ihrer Karriereplanung sollten Frauen die Unternehmen unterstützen, die auch etwas für sie tun und ein gutes Arbeitsumfeld für sie schaffen, beispielsweise mit Kinderbetreuungsangeboten, Home Office oder Coaching.

 

 

 

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