„Coden ist so leicht wie backen“

Veröffentlicht von am 6 Aug 2015

Der Tag von Dr. Annette Leonhard-MacDonald hat eigentlich nie genug Stunden: Sie fördert Start-ups, coacht Wissenschaftlerinnen, netzwerkt, hält Vorträge, vermittelt Talente und bringt gemeinsam mit ihrem Mann technikinteressierten Laien das Programmieren bei. „Coden ist wie backen oder Tee kochen – jeder kann es lernen und für sich nutzen“, davon ist die Geschäftsführerin von Leonhard Mac-Donald Ventures und Gründerin von „Inspiring Female Founders“ überzeugt.

Anette Leonhard1Foto: Female Founders

 

Was haben Gründer davon, wenn sie selbst coden können?

Wir unterstützen Start-ups und beraten sie in der Gründungsphase. Dabei sehen wir häufig, dass nicht-technische Gründer den Entwicklungsaufwand für einen Shop oder Datenbank-Anwendungen unterschätzen und falsch im Businessplan kalkulieren. Wenn ich selbst weiß, wie etwas programmiert wird, bin ich nicht auf Kompetenz von außen angewiesen, kann Prototypen selbst entwickeln und viel besser einschätzen, wie viel Aufwand hinter einem neuen Dienst steckt.

 

Aber sind Gründer nicht mit ganz anderen Dingen beschäftigt?

Die Abhängigkeit von Programmierern, die auf dem Markt nicht so leicht zu finden sind, ist meiner Meinung nach eine sehr große und kostenintensive Hürde für viele Start-ups. Dabei ist Coden so leicht wie Backen oder Tee kochen.

 

Puh, da habe ich leider andere Erfahrungen gemacht…

Es ist wichtig, beim Coden von der Anwendung her zu kommen und die Logik dahinter zu verstehen. Es geht darum, genaue Schritte zu definieren, um eine Lösung zu erreichen. Wenn a, dann b, dann c. Mit der richtigen Technik ist das wirklich nicht schwer.

 

Über welchen Weg würdest Du den Einstieg zum Coden empfehlen?

Man sollte sich die „Grammatik“ der Programmiersprache persönlich erklären lassen und einen Kurs wählen, in dem man selbst Dinge ausprobieren kann. Es ist wichtig die Grundprinzipien zu verstehen und anzuwenden, die Grammatik allein reicht nicht. Erfolgserlebnisse und Visualisierungen sind wichtig, damit man am Ball bleibt. Letztlich haben alle Sprachen ähnliche Wurzeln, es ist also egal, womit ich anfange, wenn ich das Prinzip verstanden habe. Das können Online-Tutorials unserer Meinung nach eher nicht leisten.

Annette Leonhard 3Foto: Female Founders

 

Woher kommt Dein Engagement in diesem Bereich?

Ich war schon immer sehr technikbegeistert und grosser Star Trek-Fan. Schon in der Schule stand für mich fest, dass ich Astrophysik studieren wollte. Mein Lehrer hat mich darin auch immer bestärkt, obwohl ich eins der wenigen Mädchen war, die Astrophysik als Wahlfach hatten. Als ich mich tatsächlich für ein Physik-Studium einschreiben wollte, ließ ich mich von einem miesen Professor einschüchtern, der ganz offensichtlich keine Frauen in seinem Hörsaal haben wollte.

Mein Weg führte mich also zunächst zur Amerikanistik und Wirtschaftsinformatik nach Kassel. Hier traf ich zum Glück meinen ersten Mentor, einen Professor mit Schwerpunkt Computerlinguistik, der mich in das dortige „all female IT-Team“ aufnahm – eine Gruppe von Frauen, die sich um die IT-Belange des Fachbereichs kümmerte. Hier habe ich meine Freude an Informatik und Programmierung entdeckt und später auch meine Begeisterung für Mentorship.

 

Wieso möchtest Du Deine Kenntnisse an andere weitergeben?

Mein erster Kontakt mit Förderprogrammen für Mädchen und Frauen war eigentlich der Girls´Day an der deutschen Uni. Später an der Uni Edinburgh, wo ich in Informatik promoviert habe, habe ich mein Science Communicator Zertifikat abgelegt und als Mentorin Schülerinnen in sozialen Brennpunkten für technische Studiengänge begeistert. Es macht einfach Spaß zu sehen, dass etwas bei Jüngeren ankommt. Ich liebe es, etwas bewirken zu können.

 

Du gibst Dein Wissen aber nicht nur an Schülerinnen und Start-ups weiter, sondern auch an Managerinnen und Wissenschaftlerinnen. Wie funktioniert das genau?

Ich bin seit vielen Jahren in Entrepreneurship Education Programmen der Uni Cambridge tätig. Eines unserer erfolgreichsten Programme „EnterpriseWISE“ richtet sich an Wissenschaftlerinnen, da wir festgestellt haben, dass Frauen in der Vorgründungsphase von gemischten Programmen weniger profitieren. Das Programm soll vorrangig Wissenschaftlerinnen dazu ermutigen, unternehmerischer zu handeln. Die Seminare sollen die Frauen außerdem selbstbewusster machen für ihren Auftritt bei Vorträgen oder in Verhandlungen.

 

FAnnette Leonhard2Foto: Female Founders

 

 

Du arbeitest eng mit Deinem Mann Dr. Donald Leonhard-MacDonald zusammen, beispielsweise, wenn es um Coding-Kurse geht. Euer neuestes Projekt ist eine Plattform zur Vermittlung von IT-Experten und Absolventen technischer Studiengänge recruitMINT.de Was unterscheidet sie von anderen Recruiting-Portalen?

 

Wenn heute Programmierer und IT-Experten über Anzeigen oder online gesucht oder gezielt angeworben werden, sind die Ansprachen meistens austauschbar – so, als würde man nur die Kompetenzen und das Asset suchen, aber nicht den Menschen, der dazu gehört. IT-Spezialisten sind keine Pizzaessende Wesen, die nur für den Code existieren, sie möchten nicht irgendwo arbeiten. Sie haben alle einen anderen Charakter und zum Beispiel Präferenzen für Branchen, Schwerpunkte oder Teamgrößen. Wir wollen Talente deshalb gezielt in Positionen und an Unternehmen vermitteln, die wirklich zu ihnen passen. Deshalb führen wir mit allen interessierten Bewerbern persönliche Interviews, bevor wir ihnen passende Angebote zukommen lassen.

 

Das klingt aufwendig…

Das ist es auch – aber es lohnt sich, für alle Beteiligten. In Deutschland besteht ein riesen Fachkräftemangel in IT-Bereich und der Mangel an Programmieren ist auch für viele Start-ups ein enormes Problem. Aufgrund unserer Domain Expertise und unserer hauseigenen Analysesoftware wissen wir, welche Qualifikation etwa für einen „Data Scientist“ wirklich benötigt werden und filtern in den Interviews genau heraus, welche Aufgaben einen Kandidaten wirklich interessieren und begeistern. Wir sind selbst beide Informatiker und können dabei auf unser großes internationales Netzwerk an IT-Experten sowie sowie HR-Partnern zurückgreifen, deshalb sind wir sehr optimistisch, dass es funktioniert.

 

Ihr fördert sehr gern weibliche Gründerinnen, warum?

Wir haben damit einfach bislang die besseren Erfahrungen gemacht. Frauen, die ein Start-up aufziehen möchten, sind offener für Ratschläge und haben eine andere Einstellung. Sie sind oft realistischer und flexibler, wenn es um ihre Business-Ideen geht, wohingegen Männer meist sehr von sich und ihren Plänen überzeugt sind. Sie möchten häufig nur das Geld, wollen sich aber ungern etwas sagen lassen oder von ihren Vorstellungen abrücken.

 

 

 

 

 

 

 

 

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