Na endlich: Die Netzgemeinde ist am Ende!

Veröffentlicht von am 11 Mai 2015

In diesen Tagen bin ich Markus Beckedahl von netzpolitik.org mächtig dankbar. Nicht nur, dass er zusammen mit seinem Team wieder eine großartige re:publica auf die Beine gestellt hat, mit fließend WLAN durch dickste Mauern auf einem riesigen Gelände. Mit einem perfekt organisierten Programm. Mit inspirierenden Rednern und mehr als 6000 Besuchern. Nein, er hat auch das Ende der so genannten „Netzgemeinde“ verkündet.

 

Na endlich!

 

Die Netzgemeinde. Eine Gemeinschaft mit religiös anmutendem Hintergrund? Eine skurrile nerdige Minderheit? Besonders beliebt scheint dieser Begriff jedenfalls bei klassischen Medien zu sein, die bei aktuellen Ereignissen inzwischen schon reflexartig online einsammeln, welche Statements denn die „Netzgemeinde“ so auf Twitter oder Facebook von sich gegeben hat (wie hat Recherche eigentlich früher funktioniert?)

 

Aber so einfach ist das nicht mehr. Die Netzgemeinde ist am Ende, so der re:publica-Gründer Beckedahl vorige Woche in Berlin.

 

Denn: Wenn 80 Prozent der Bevölkerung das Internet nutzen – wer soll dann diese ominöse Gruppe sein?

 

Wir alle sind das Netz. Ein etwas abgegriffener Satz, in dem aber viel Wahres steckt. Private Kommunikation, E-Commerce, Musik-Streaming, Car-Sharing, Firmen-Intranet, Geschäftsprozesse – das Web zieht sich schon heute quer durch unser Leben. Je bequemer, je unbemerkter. Und, wie schon der DLD15 Anfang des Jahres in München ausrief: Das ist erst der Anfang.

 

Bei der jüngsten Burda Netnight sprach Dr. Thorben Keller (u.a. ETH Zürich/ Uni St. Gallen) davon, dass das Internet bald aus der aktiven Wahrnehmung verschwinden wird, weil es als selbstverständlicher Teil der Infrastruktur omnipräsent ist. Die Vernetzung wird sich über verschiedenste Sensoren und Funkanbindungen in allen Bereichen ihren Raum schaffen – von der Küche über den Fashion-Store bis hin zum Fließband.

 

Wer das noch nicht verstanden hat ist in spätestens fünf Jahren wirtschaftlich am Ende, warnt beispielsweise PR-Doktorin Kerstin Hoffman in ihrem neuen Buch „Web oder stirb“. Die Schere zwischen digitalen Meistern und digitalen Verweigerern öffnet sich immer mehr, warnt Hoffmann mit ihrem Blick auf die Unternehmenskommunikation. Ebenso wie sie glaube ich, dass man das auf die gesamte Wirtschaft übertragen muss.

 

In der Digitalagentur Valtech, für die ich PR mache, arbeiten die Kollegen bereits seit Jahren daran, Marken aus allen Branchen für die digitale Transformation fit zu machen und neue Geschäftsmodelle mit diesem Internet zu entwickeln. Genau dahin wird die Reise gehen. Die Themen Industrie 4.0, Internet der Dinge und fehlende Breitbandversorgung auf dem Land verdienen dabei einen eigenen Blogpost.

 

NetzpolitikFoto: Simone Fasse

 

Netzpolitik kann uns nicht egal sein

 

Viel wichtiger ist mir heute der Appell, sich mehr mit dem Netz zu beschäftigen. Wenn Geheimdienste unsere E-Mails lesen und speichern, wenn wir überall getrackt werden, wenn unsere Daten der neue Rohstoff sind, der die Wirtschaft befeuert, dann kann uns das nicht egal sein. Auf die Netzgemeinde können wir uns dabei nicht verlassen, das hat noch nie funktioniert – und jetzt ist sie ja eh am Ende, siehe oben.

 

Auch ich suche noch nach einem Weg, mich hier konkret zu engagieren. Durch die re:publica bin ich jedoch deutlich sensibler geworden, meine Begeisterung für das Netz hinterfrage ich stärker denn je, meine Daten gebe ich möglichst bewusst heraus, sie sind mir etwas wert.

 

Wenn man selbst noch keine Idee hat, eine Spende könnte ein Anfang sein, etwa mit einer Überweisung an die Organisation „Digitale Gesellschaft e.V.“, die sich für die digitale Grund- und Bürgerrechte einsetzt. Wer sich jetzt fragt, warum das denn nötig sein soll, dem lege ich folgende Sätze aus Markus Beckedahls Blogpost zu dem Thema ans Herz:

 

„Netzpolitik ist im Mainstream angekommen. Es streiten nicht mehr Blogger und Twitteria mit Internetausdruckern. Kirchentage widmen sich der Digitalisierung und selbst die SPD diskutiert Netzpolitik bis in ihre Ortsvereine. Die Tagesschau berichtet über digitale Themen ohne deren Digitalität zu betonen. Das Netz ist in der Gesellschaft angekommen. Die großen Herausforderungen stehen damit erst bevor. Die Pioniertage sind vorbei. Statt Internet-Erklärbären geht es mehr und mehr um knallharte Interessenspolitik.“

 

Genau das ist es. Das Netz wird Teil der politischen Debatte, genau wie Gesundheits- oder Steuerbelange. Ein bisschen mehr Wachsamkeit von uns als Nutzern kann also künftig nicht schaden.

 

 

 

 

Hinterlasse eine Antwort